Foto_© by Karl-Heinz Laube_pixelio.de
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Jeder suchtmittelabhängige Bürger in Deutschland hat ein Recht auf akutmedizinische und entwöhnungsorientierte Behandlung, denn Sucht ist nach internationaler Diagnostik (ICD 10) und der Rechtsprechung der obersten Gerichte in Deutschland eine behandlungsbedürftige Krankheit. Um Verzögerungen, Missverständnisse und Ablehnungen zu verhindern, sollte möglichst frühzeitig der sachverständige Rat ehrenamtlicher und professioneller Helfer gesucht werden.

 

Wie erfolgt die Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen?

 

Die Behandlung umfasst nach der Vereinbarung Abhängigkeitserkrankungen vom 04.05.2001 die akutmedizinische Versorgung (Entgiftung bzw. Entzug) sowie die sozialmedizinisch und psychotherapeutisch geprägte Rehabilitationsbehandlung (Entwöhnung), die als ambulante oder stationäre Form medizinischer Rehabilitation erfolgen kann.

 

Die akutmedizinische Entgiftungsbehandlung (mit Entzug ist dieselbe Behandlungsform gemeint) erfolgt in aller Regel auf ärztliche Veranlassung oder als Notfall in den entsprechenden Abteilungen der psychiatrischen Landeskliniken oder der Allgemeinkrankenhäuser. Die Kosten der Entgiftungsbehandlung trägt die Krankenkasse oder der Sozialhilfeträger. Die Behandlung kann bis zu 3 Wochen dauern (einschließlich ein Motivierungsphase im Rahmen der qualifizierten Entzugsbehandlung).

 

Die Entwöhnungsbehandlung (medizinische Reha) soll sich möglichst nahtlos an die Entgiftungsmaßnahme anschließen. Je nach Diagnose und Indikation kann sie entweder angetreten werden:

 

  • in einer anerkannten Psychosozialen Beratungsstelle (ambulante Reha) oder
  • in einer Tagesklinik (ganztägig-ambulante bzw. teilstationäre Reha)
  • in einer spezialisierten Fachklinik bzw. der Entwöhnungsabteilung eines Psychiatrischen Krankenhauses (stationäre Reha)

 

Die stationäre Behandlung dauert in Abhängigkeit von der Indikationsstellung i. d. R. zwischen 3 und 9 Monaten. Die Kosten der Entwöhnungsbehandlung trägt entweder der zuständige Rentenversicherungsträger oder auch hier die Krankenkasse bzw. der Sozialhilfeträger. Kein Empfänger von Sozialleistungen muss befürchten, schlechter behandelt zu werden als ein Versicherungspatient. Auch Arbeitslose und ältere Bürger haben nach Recht und Gesetz einen einklagbaren Anspruch auf Entwöhnung, bzw. deren Finanzierung. Bei Beamten sind die jeweils geltenden beamtenrechtlichen Versorgungsregelungen zu berücksichtigen.

 

Private Krankenkassen haben leider überwiegend die Suchtbehandlung vertraglich

aus ihrer Leistungsgewährung ausgeschlossen, hier kann ggf. auf Kulanzbasis eine

Kostenübernahme erreicht werden. Selbstzahler können sich nach Klärung der sozialen, medizinischen und finanziellen Fragen wegen eines Aufnahmetermins über die Beratungsstelle direkt mit der Klinik in Verbindung setzen.

 

Was kann ich als Betroffener tun?

 

Jede/r Betroffene kann und sollte sich ausführlich beraten lassen. Eine qualifizierte Beratung ist möglich bereits im Krankenhaus (Sozialdienst) oder bei der örtlichen Psychosozialen Beratungsstelle.

 

Auch die Selbsthilfegruppen stehen mit Rat und Tat zur Seite.

 

Maßgeblich für die Beantragung einer Behandlung sind formale und inhaltliche Kriterien.

 

Formale Kriterien:

 

  • die Mindest-Versicherungszeiten/Beitragszahlungen müssen gegeben sein (Beratung durch Versicherung)
  • ein medizinisches Gutachten muss die Notwendigkeit der Entwöhnungsbehandlung bestätigen (Arzt, Beratungsstelle)
  • in Sozialbericht muss erstellt werden(Beratungsstelle, Sozialdienst)
  • ein förmlicher Antrag muss gestellt werden (Beratungsstelle, Sozialdienst), auf Vollständigkeit aller Unterlagen achten

 

Inhaltliche Kriterien:.

 

Alle Kostenträger (besonders die RV) fordern von den Betroffenen ein Minimum an

Krankheitseinsicht und den Mut zur Therapie und Nachsorge (sog. Motivation). Die Freiwilligkeit der bzw. des Betroffenen ist also eine zwingende Voraussetzung für die Therapie. Insbesondere die Selbsthilfegruppen vor Ort sind hier sehr hilfreich.

 

Es muss die Aussicht bestehen, dass nach der Entwöhnungsbehandlung die Leistungsfähigkeit im Arbeitsleben wieder hergestellt werden kann. Dies kann auch bei Arbeitslosigkeit gegeben sein, denn gerade die stationäre Behandlung (Arbeitstherapie, Praktika) verbessert die Chancen erheblich.

 

Über den Antrag muss binnen von sechs Wochen entschieden sein (Bewilligungsverfahren), in besonderen Fällen ist ein ‚Eilverfahren’ möglich. Sind alle diese Voraussetzungen gegeben, muss die Rentenversicherung leisten. Fehlt es an der günstigen Prognose zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben, müssen Krankenasse und Sozialhilfe die Behandlung zahlen. Eine ablehnende Entscheidung muss begründet sein, gegen diese ist (kostenfrei) Widerspruch möglich. Die Erfahrungen zeigen, dass solche Einwendungen oft erfolgreich sind. Detaillierte Informationen zur Entwöhnungsbehandlung, zu den Leistungsvoraussetzungen sowie zum Antrags- und Bewilligungsverfahren sind auf der Internet-Seite der Deutschen Rentenversicherung (www.deutsche-rentenversicherung.de).

 

Wie finde ich die richtige Klinik?

 

Ist die Behandlungsbedürftigkeit diagnostisch geklärt und sind die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, so konzentriert sich das Beratungsgespräch mit der Beratungsstelle bzw. dem Sozialdienst darauf, welche Therapie nach Art, Ort und Dauer die für den/die Betroffene/n am besten geeignete ist (Indikation). Im Mittelpunkt stehen hierbei stets die eigenen Vorstellungen der Betroffenen.

 

Zu folgenden Fragen muss eine Antwort gefunden werden:

 

  • Reicht eine ambulante bzw. ganztätig-ambulante Entwöhnungsmaßnahme aus oder ist die stationäre Behandlung in einer Klinik sinnvoll (auch Kombinationen sind möglich)?
  • Welche Behandlungsdauer gebietet das Krankheitsbild? Diese Frage kann auch noch während der stationären Therapie entschieden werden; individuell sind Verkürzungen oder Verlängerungen möglich.
  • Ist eine Klinik in der Region (erreichbar für Familie und Freunde) oder in weiterer Entfernung (z. B. junge Suchtkranke) sinnvoll? Der Vorzug der Regionalität: Direkte Kontakte zu Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen, Betrieben, Arbeitsämtern etc.

 

Welche Einrichtungsart ist geeignet?

 

Je nach persönlicher Verfassung ist eine reine Frauen- bzw. Männer-Klinik einer gemischten vorzuziehen bzw. ein kleineres Haus dem größeren … und umgekehrt. Wichtige ist auch das Angebotsspektrum der Klinik für bestimmte Zielgruppen: Wer bspw. arbeitslos ist, braucht eher arbeitstherapeutische Angebote und Bewerbungstraining.

 

Hat sich für den/die Betroffene/n bereits zuvor in Selbsthilfegruppen, mit Kollegen oder durch die Beratung der Wunsch auf die Behandlung in einer bestimmten Einrichtung verdichtet, so ist dieser Wunsch im Sozialbericht festzuhalten und für den Kostenträger verbindlich (Wunsch- und Wahlrecht des Versicherten). Wird der Anregung im Sozialbericht und dem dort festgehaltenen Wunsch des betroffenen Bürgers nicht entsprochen, muss dies seitens des Kostenträgers begründet werden. Gegen den ablehnenden bzw. modifizierenden Bescheid ist Widerspruch möglich.

 

In der Mehrzahl der Fälle wird sodann den Vorstellungen im Sozialbericht gefolgt. Insgesamt ist festzuhalten, dass zwar der Kostenträger Art, Ort und Dauer der Entwöhnungsbehandlung unter Berücksichtigung der Schwere der Krankheit und der persönlichen Verhältnisse des Abhängigkeitskranken bestimmt, bei der Bestimmung der Einrichtung die im Sozialbericht enthaltenen Anregungen sowie die Wünsche der Betroffenen aber angemessen, d. h. nach pflichtgemäßem Ermessen, berücksichtigt werden müssen.


Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt

Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e. V.

Wilhelmshöher Allee 273

34131 Kassel